- Von Neukund:innen in der Grundversorgung für Strom und Gas höhere Preise zu verlangen, ist nach Auffassung der Verbraucherzentrale systemwidrig und daher unzulässig.
- Betroffene sollten schriftlich Widerspruch einlegen und den Versorger auffordern, das Preisniveau auf das der Bestandskund:innen anzupassen. So können gegebenenfalls Schadenersatzansprüche vorbereitet werden.
Der Energiemarkt zeigt derzeit deutliche Preissprünge nach oben. Manche Versorger wollen Kund:innen in günstigen Sonderverträgen nicht länger versorgen, da dies in der aktuellen Situation nicht mehr wirtschaftlich ist. Sie ziehen sich entgegen ihrer vertraglichen Pflichten vom Markt zurück und teilen ihren Kunden entweder mit, dass sie sie nicht mehr beliefern oder benachrichtigen die Kund:innen gar nicht oder erst nachdem der „neue“ Grundversorger sich wegen der Belieferung gemeldet hat.
Dadurch fallen hunderttausende von Kund:innen in die Grundversorgung. Etliche Grundversorger, die sich bislang regelmäßig und längerfristig und somit preislich etwas günstiger bei ihren Vorlieferanten mit Gas für die Kund:innen in der Grundversorgung eingedeckt haben, haben nun plötzlich und unerwartet viele Neukund:innen. Das zwingt sie dazu, nun ebenfalls am Tagesmarkt, dem sogenannten Spotmarkt, zu stark erhöhten Preisen einzukaufen.
Vor diesem Hintergrund diskutiert die Branche der Grundversorger, zwischen Neu-und Bestandskund:innen in der gesetzlich geregelten Grundversorgung zu unterscheiden und Neukund:innen zu teureren Tarifen zu versorgen. „Ein solches Vorgehen konterkariert deutlich den Sinn und Zweck der Grundversorgung. Nach unserer Auffassung ist das nicht zulässig“, so Fabian Fehrenbach, Referent Energierecht bei der Verbraucherzentrale. Die Grundversorgung zählt zur Daseinsfürsorge und unterliegt bestimmten rechtsstaatlichen Prinzipien. Sie soll die Versorgung aller Menschen sicherstellen und dient auch als Auffangbecken für die Verbraucher:innen, die beispielsweise wegen der Insolvenz ihres Versorgers aus ihrem Sondervertrag gefallen sind. „Man kann nicht Kunden, die Preise vergleichen und Sonderverträge zu günstigen Konditionen abschließen, dafür bestrafen, dass sie an ein Unternehmen geraten, das am Markt unlauter agiert“, so Fehrenbach weiter.
In den ersten Monaten nach Rückfall zum Grundversorger befinden sich die Kund:innen in der sogenannten Ersatzversorgung. Auch hier darf der Preis den der Grundversorgung nicht überschreiten. Diese gesetzliche Regelung liefe ins Leere, wenn es plötzlich verschiedene Preise in der Grundversorgung gäbe. Wenn die aktuelle Preisentwicklung dazu führt, dass der Versorger mit den Preisen der Grundversorgung nicht mehr wirtschaftlich arbeiten kann, muss er nach den gesetzlichen Regeln die Preise für alle Kund:innen in der Grundversorgung gleichermaßen in zulässigem, transparenten und sozialverträglichen Umfang anheben.
Die Mechanismen für eine Preisanpassung, um wirtschaftlich zu arbeiten und Kund:innen gleichzeitig sicher und so günstig wie möglich zu versorgen, sind gesetzlich festgeschrieben und müssen genutzt werden. Preisänderungen müssen den Kund:innen sechs Wochen zuvor bekannt gegeben werden. Der Grundversorger ist zudem zur schriftlichen Mitteilung an die Kund:innen verpflichtet, in der er die Änderungen zu begründen hat. Fehrenbach hält es daher für ausgeschlossen, dass Versorger aus Gründen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit keine neuen Kund:innen mehr in die Grundversorgung aufnehmen.
Die Verbraucherzentrale sieht Politik und Aufsichtsbehörde in der Pflicht, entschiedener gegen Marktteilnehmer vorzugehen, die sich aus ihrer zivilrechtliche Verpflichtung gegenüber den Verbraucher:innen und letzten Endes aus ihrer sozialen Verantwortung gegenüber einem funktionierenden Energieversorgungssystem stehlen.
Fragen von Betroffenen beantworten die Expert:innen der Verbraucherzentrale am kostenfreien Energierechtstelefon unter 0800 60 75 500 (Montag, Dienstag und Donnerstag von 10 bis 13 Uhr)
VZ-RLP
Die Energieberatung der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz wird gefördert vom Bundeswirtschaftsministerium und vom rheinland-pfälzischen Umweltministerium: