Aus für das Verbrenner-Aus?!

Ob Geltungsbereiche, Zeitplanung oder E-Fuels als Alternative – hinsichtlich des sogenannten “Verbrenner-Aus” gibt es verschiedene Mythen und Missverständnisse. Dieser Faktencheck gibt eine kleine Hilfestellung, um derzeitige politische und wirtschaftliche Motive einzuordnen.
Das E-Auto wird mit einem Ladekabel aufgeladen.

Faktencheck Klimaschutz: Aus für das Verbrenner-Aus?!

Was stimmt wirklich – Die politischen Pläne zum Ende des Verbrenners kurz erklärt

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Hintergrund

Ab 2035 dürfen in Europa keine Pkws und Kleintransporter mehr neu zugelassen werden, die noch CO2 ausstoßen. Der immer wieder "Verbrenner-Aus" genannte Beschluss ist ein Kernelement des Brüsseler „Green Deals“ und soll sicherstellen, dass die CO2-Emissionen im Verkehr bis 2050 um 90 Prozent sinken. Das noch von der Bundesregierung unter Angela Merkel am 12.12.2019 beschlossene Klimaschutzgesetz schreibt Klimaneutralität schon bis zum Jahr 2045 vor.

In den Medien und in der Politik wird dies aktuell jedoch stark diskutiert. Wie geht es also weiter mit dem "Verbrenner-Aus"?

Kritik und Gegenstimmen – doch kein "Verbrenner-Aus" aufgrund der alternativen E-Fuels?

Aufgrund des politischen Drucks von Deutschland bleibt in der EU noch eine Hintertür für den Verbrenner offen: auch nach 2035 sollen Autos mit Verbrennungsmotoren zugelassen werden können, sofern sie ausschließlich mit „weitestgehend“ CO2-neutralen synthetischen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels, betankt werden.

Was sind E-Fuels?

  • E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe. Sie sollen zur Erreichung der Klimaneutralität vor allem in der chemischen Industrie und in Flugzeugen zum Einsatz kommen.
  • Außerdem könnten sie herkömmliche Kraftstoffe in Verbrennungsmotoren von Diesel- bzw. Benzinfahrzeugen ersetzen.
  • Mithilfe von erneuerbarem Strom werden E-Fuels aus Wasserstoff und CO2 aus der Atmosphäre hergestellt. 
  • Die Herstellung von E-Fuels ist energieaufwendig. Besonders viel Energie ist nötig, um zunächst den “grünen“, also klimaneutralen Wasserstoff herzustellen. 
  • Auch die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre ist aufwendig und sie ist noch nicht technisch ausgereift. 
  • Nur beim Einsatz von erneuerbarem Strom und CO2 aus der Atmosphäre ist die Produktion rechnerisch klimaneutral, d.h., dass bei der Verbrennung im Motor entstehende CO2 wird der Atmosphäre wieder entnommen und so „im Kreislauf“ geführt. 

Unter dem Begriff „Technologieoffenheit“ sollten auch in der sogenannten „Wachstumsinitiative“; die durch die ehemalige Ampelkoalition mit dem Bundeshaushalt 2025 beschlossen wurde, die Privilegien für diese sogenannten „Null-Emissionsfahrzeuge“ (das sind Verbrennerfahrzeuge, die einen künstlich erzeugten und rechnerisch klimaneutralen Kraftstoff verbrennen) erhöht werden, so dass sie den vollelektrischen Fahrzeugen gleichgestellt werden. Diese “Technologieoffenheit” wird auch von anderen Parteien als gewünschte Einschränkung des bereits beschlossenen Endes der Verbrennungsmotoren propagiert.

Aber: einen Schritt vor und zwei zurück ist kein Fort-Schritt… Letztlich macht nur die Mobilitätswende den Unterschied und damit den Fortschritt aus, den wir alle merken, und das sowohl in den Klimawirkungen als auch im Portemonnaie!

Wenn die E-Fuels vollständig klimaneutral hergestellt würden, d.h. mit Strom aus regenerativen Quellen, und das zur Herstellung benötigte CO2 aus der Atmosphäre oder aus Industrieabgasen kommen würde, ergäbe sich bei der Herstellung rein rechnerisch die Klimaneutralität.

Zur Erklärung: Das Elektro-Auto fährt mit Strom, der in einem Elektromotor mit einem sehr hohen Wirkungsgrad von ca. 73 Prozent und mehr verbraucht wird. Der Wirkungsgrad sagt aus, wieviel der eingesetzten Energie auch wirklich in Bewegung umgesetzt wird. Bei einem Wasserstoffantrieb liegt der Wirkungsgrad bei 30 Prozent. Die E-Fuel-Verbrenner fahren mit einem synthetischen Kraftstoff, der aber in einem Verbrennungsmotor eingesetzt wurde, welcher mit einem Wirkungsgrad von 13 Prozent funktioniert. Insgesamt sind also Elektro-Autos wesentlich effizienter als alle anderen Fahrzeuge und schonen daher wichtige Ressourcen.
 

Hintergrundwissen

  • Nach einer Untersuchung des ICCT (International Council on Clean Transportation, deutsch etwa Internationaler Rat für sauberen Verkehr) stoßen reine Elektroautos in der Kompaktklasse, zu welcher beispielsweise der VW Golf und Ford Focus gehören, 66 bis 69 Prozent weniger Treibhausgase aus als ein vergleichbarer Verbrenner, der mit herkömmlichen Kraftstoffen betrieben wird. 
  • Das ICCT rechnete dabei mit dem derzeitigen Strommix in Europa und einer Fahrzeugzulassung im Jahr 2021. Bei reinem Ökostrom, zum Beispiel über eine Photovoltaik-Anlage, wären es sogar 78 bis 81 Prozent weniger Emissionen.
  • Eine Untersuchung der Technischen Universität Eindhoven vom August 2020 kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: 54 Prozent (Kompaktklasse) bis 82 Prozent (Luxusklasse) weniger CO2 würden aktuelle Elektroautos freisetzen. Die (noch) CO2-intensive Batterieproduktion hätten sie entsprechend nach 11.000 bis 30.000 Kilometern wieder eingeholt.
  • Wichtig: Autos, die komplett mit E-Fuels betrieben werden, stoßen etwa 50 Prozent mehr CO2 aus als reine Elektroautos. Das hat eine Studie des Thinktanks "Transport and Environment" gezeigt. Grund sind vor allem die Verluste bei der E-Fuels-Produktion, aber auch der ineffiziente Verbrennungsmotor.

Welchen Beitrag kann das Verbrenner-Aus für den Klimaschutz leisten?

Mit derselben Menge an Strom kommt das E-Auto 700 Kilometer weit, ein vergleichbares Verbrennungsfahrzeug mit E-Fuels nur 100 Kilometer. Und noch ein Umweltaspekt: E-Fuels-Verbrenner stoßen weiterhin ähnlich viele oder sogar mehr schädliche Abgase (wie Stickoxide) wie Verbrennerfahrzeuge aus.

Beim Energiekostenvergleich wird es noch deutlicher: Pro 100 Kilometer kostet der Strom bei einem Klein-/Mittelklasse-E-Fahrzeug zur Zeit etwa 4,70 Euro, der Kraftstoff Super E10 ca. 11 Euro und der neue, geplante E-Fuel-Kraftstoff etwa 34 Euro (Stand Juni 2024, BMWK). Kleine Anmerkung: in der Pilotanlage in Chile hergestellte E-Fuels kosten derzeit etwa 50 Euro pro Liter.

Hintergrundwissen

Der Wasserstoff zur Herstellung der E-Fuels muss zunächst aufwendig und mit hohen Energieverlusten erzeugt werden. Sein Einsatz macht daher nur da Sinn, wo keine alternativen Technologien zum Erreichen der Klimaneutralität zur Verfügung stehen. Flug- und Schiffsverkehr sind solche Fälle. Beim Autofahren ist die direkte Nutzung von erneuerbarem Strom möglich und eben auch effizienter.

Die wichtigste Voraussetzung, um E-Fuels herzustellen, ist jedoch der massive Ausbau der Erneuerbaren Energien, da die Herstellung nur mit „erneuerbarem Strom“ geschehen kann, um sie als klimaneutral zu bezeichnen bzw. bei ihrer Nutzung kein zusätzliches CO2 zu erzeugen.

Und: bereits heute übertrifft die Nachfrage für die chemische Industrie, den Flugverkehr und den Schiffsverkehr aus Deutschland die global zu erwartende Produktionsmenge für E-Fuels um das 10fache.

Für die Automobilindustrie wird es durch die wechselnden rechtlichen Bedingungen nicht leichter. Deutschlands größter Autobauer VW betont: "Wir brauchen verlässliche und verbindliche Vorgaben von der Politik. Die Autoindustrie ist langzyklisch, wir können nicht alle drei, vier Jahre unsere Entscheidungen infrage stellen“ (VW verliert mit E-Autos in China den Anschluss: So will Oliver Blume aufholen (faz.net)). Man habe umfangreich investiert und „wir arbeiten darauf hin, dass in Europa ab 2035 Neufahrzeuge zu 100 Prozent elektrisch angetrieben sein werden“. Die Automobilindustrie hat die notwendigen Veränderungen bereits eingeleitet – auch, um weltweit wettbewerbsfähig zu bleiben, denn andere Länder sind den deutschen Autobauern längst voraus.

Ein neuer Stern am Himmel der klimaneutralen Mobilität?

Aktuell wird immer wieder über den neuen Kraftstoff HVO 100 als klimaneutrale Alternative zu herkömmlichen Kraftstoffen berichtet.

Was ist HVO 100?

  • HVO 100 ist ein Kraftstoff, der aus pflanzlichen Rest- und Altölen und Wasserstoff hergestellt wird und der bereits heute auf dem Markt ist. Er zählt nicht zu den sogenannten e-Fuels. 
  • Wasserstoff benötigt man trotzdem immer noch für die Herstellung, jedoch kein CO2 aus der Atmosphäre, denn das „steckt“ schon in den Pflanzenölen, die es wiederum aus der Atmosphäre entzogen haben.
  • HVO 100 gilt zu 90 Prozent als rechnerisch klimaneutral
  • Altes Frittierfett (wie oft berichtet) aus Deutschland wird dabei eher nicht eingesetzt. Kraftstoffe bzw. die Rohstoffe werden größtenteils importiert. Bedauerlicherweise wurde HVO häufig auch aus Palmöl hergestellt, mittlerweile ist dies in Deutschland nur noch beim Einsatz von Palmölabfällen erlaubt. Dies ist jedoch kaum kontrollierbar und führt zu massivem Missbrauch.
    Die benutzten Fette sind entgegen der häufigen Darstellung keine Abfälle, sondern bereits heute begehrte Rohstoffe, die in vielen Prozessen genutzt werden, und stehen nur in geringen Mengen zur Verfügung.
  • Eine detaillierter Faktencheck dazu findet sich hier.

Es bleibt dabei: auch mit diesem Kraftstoff fahren wir wesentlich ineffizienter als mit dem E-Auto, und für seinen Einsatz im PKW wird die Produktion in ausreichendem Mengen nicht möglich sein. Und der zur Herstellung eingesetzte grüne Wasserstoff muss dort eingesetzt werden, wo er am dringendsten benötigt wird, also z.B. in der Industrie.

Mobilitätswende und Klimaneutralität

Die eigentliche Frage ist: wie schaffen wir die Mobilitätswende – die wesentlich mehr umfasst als den Umstieg auf E-Autos. Es kann nicht das Ziel sein, jedes Verbrennerfahrzeug durch ein E-Auto zu ersetzen, sondern vielfältige Mobilitätsmöglichkeiten zu schaffen: besseren Personennahverkehr, flexible und vielfältige Mobilitätsoptionen, wie etwa Shuttlebusse in der Stadt, ein gut ausgebautes Bahn- und Busnetz – auch „auf dem Land“. Das hat auch einen sozialen Aspekt, denn ein Teil der Bevölkerung kann sich kein Auto leisten und muss trotzdem mobil sein, um z.B. arbeiten zu können.

Nur so können wir unsere Klimaziele auch im Verkehrssektor erreichen und einen klaren Weg einschlagen und verfolgen, an dem alle teilhaben könne. In anderen Ländern scheint es mehr Zustimmung für Elektrofahrzeuge zu geben: wer kürzlich in Paris, Amsterdam (Verbrennerverbote ab 2025 für bestimmte Fahrzeuge) oder Stockholm (Verbrennerverbot in Teilen der Innenstadt ab 2025) war oder sich mit der dortigen Verkehrspolitik beschäftigt, wundert sich über das plötzlich wieder aufflammende Interesse am Verbrenner durch einige deutschen Interessenverbände oder Parteien.  

Fazit

Auch wenn in der Öffentlichkeit ein anderer Eindruck entsteht: die Aufweichung des Verbrennerverbots hätte kaum Auswirkungen auf PKW-Fahrer:innen, da die synthetischen „klimaneutralen Kraftstoffe“ hauptsächlich für den Einsatz in der Industrie, dem Flugverkehr und dem Schiffverkehr benötigt werden.

Fahrzeuge, die diese Kraftstoffe nutzen können, sind also bei PKWs keine Alternative zum E-Auto. Die Fahrzeuge, die E-Fuels nutzen könnten, haben darüber hinaus wesentlich höhere Anschaffungs- und Betriebskosten und werden daher nur für wenige Menschen erschwinglich sein.

Da E-Fahrzeuge je nach Größe nach kurzer Zeit klimaneutral fahren und insgesamt weniger Schadstoffe ausstoßen, sind Verbraucher:innen gut beraten auch jetzt schon über einen Wechsel der Antriebsart nachzudenken. Verbraucher:innen können sich dadurch frühzeitig vor den Folgen der steigenden Kraftstoffkosten schützen, und bei zunehmender Umstellung durch Strom aus erneuerbaren Energien noch mehr CO2 einsparen.

Quellen und weiterführende Links:

Europawahl: Erfolg für CDU und AfD – Klatsche für SPD und Grüne | NOZ
2024-07-08-wachstumsinitiative-data.pdf | Bundesregierung.
Steuerliche Förderung von E-Dienstwagen | Bundesregierung.
Klimaneutrale Kraftstoffe? Warum E-Fuels umstritten sind - SWR Aktuell
E-Fuels wahrscheinlich noch lange knapp: PIK Analyse-Papier — Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
2023-03-22 FS E-Fuels.pdf | Greenpeace
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