Rückrufaktionen wegen Sicherheitsmängeln

Stand:
Autokindersitze, die sich aus der Verankerung lösen. Monitore, die unter Strom stehen. Und Rauchmelder, die keinen Rauch melden. Das sind keine Einzelfälle. Immer häufiger rufen Hersteller Produkte vom Markt zurück, weil diese gravierende Sicherheitsmängel haben.
Ein Mann im Anzug hält einen Zettel in der Hand mit der Aufschrift "Rückrufaktion".

Das Wichtigste in Kürze:

  • Haben im Verkauf befindliche Produkte einen gefährlichen Defekt, muss der Hersteller die Käufer:innen entweder warnen oder, wenn das nicht ausreicht, auffordern die Ware zurückzubringen.
  • Ein Rückruf kann auch von der zuständigen Behörde angeordnet werden, wenn dies nach einer Risikobewertung angemessen erscheint.
  • Einen Rückruf sollten Sie nicht ignorieren. Ihnen droht dann nicht nur ein Unfall, sondern auch der Verlust von Schadenersatzansprüchen.
  • Ist eine gekaufte Ware mangelhaft, können Sie sich unabhängig von einer Rückrufaktion innerhalb der zweijährigen Gewährleistungsfrist an den Verkäufer wenden.
  • Wenn Sie bei einem Produkt Sicherheitsmängel feststellen, sollten Sie umgehend den Hersteller - in gravierenden Fällen auch die zuständige Landesbehörde am Geschäftssitz des Herstellers - informieren.
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Rechtsgrundlage für Produktsicherheitsrückrufe

Nach den Bestimmungen der Verordnung (EU) 2023/988 über die allgemeine Produktsicherheit ("GPSR"), die ab dem 13. Dezember 2024 in Kraft tritt, sind Wirtschaftsakteure unter bestimmten Bedingungen verpflichtet, interne Prozesse zur Gewährleistung der Sicherheit ihrer Pordukte zu etablieren. Dazu zählt insbesondere, dass sie angemessene Verfahren für Produktrückrufe etablieren. Als Wirtschaftsakteure gelten insbesondere Hersteller, Importeure und Händler von Produkten.

Wenn ein Hersteller feststellt, dass ein Produkt gefährlich ist, muss er Maßnahmen ergreifen, um die Sicherheit wiederherzustellen. Das kann bedeuten, dass das Produkt vom Markt genommen oder zurückgerufen wird. Der Hersteller informiert die Verbraucher und benachrichtigt die fachlich örtlich zuständige Marktüberwachungsbehörde über das unsichere Produkt und die eingeleiteten Maßnahmen. Auch andere Wirtschaftsakteure sowie Anbieter von Online-Marktplätzen sind verpflichtet, bei Verdacht auf gefährliche Produkte sowohl den Hersteller als auch die zuständigen Behörden unverzüglich zu informieren, damit notwendigen Abhilfemaßnahmen ergriffen werden können.

Verbraucher kontaktieren

Wenn ein Produkt zurückgerufen wird, müssen Hersteller, Importeure und Händler alle betroffenen Verbraucher, die sie erreichen können, direkt und sofort informieren. Dabei dürfen sie die persönlichen Daten verwenden, die sie von ihren Kunden haben. Es ist jedoch oft schwierig, alle betroffenen Verbraucher direkt zu erreichen, besonders wenn nicht klar ist, wer genau betroffen ist oder wenn keine ausreichenden Kontaktdaten vorliegen.
In solchen Fällen müssen die Unternehmen eine klare und sichtbare Rückrufanzeige oder Sicherheitswarnung über andere Kanäle, wie soziale Medien oder die Website des Unternehmens verbreiten.

In der Automobilbranche sind Rückrufaktionen besonders häufig. Wenn beispielsweise die Bremsschläuche eines Fahrzeugtyps defekt sind, ermittelt das Kraftfahrtbundesamt die betroffenen Fahrzeughalter. Diese müssen dann ihre Autos in die Werkstatt bringen. Wenn ein Hersteller Neuwagen zurückruft, nutzt er in der Regel diskret die Kundendaten beim Händler und kontaktiert die Besitzer:innen direkt.   

TIPP: Beim Kauf eines Produkts können Verbraucher:innen dieses registrieren lassen, um im Falle eines Rückrufs oder einer Sicherheitswarnung direkt informiert zu werden.


Abhilfemaßnahmen bei Produktsicherheitsrückrufen als letztes Mittel

Im Falle eines Produktsicherheitsrückrufs muss der verantwortliche Wirtschaftsakteur den Verbrauchern eine wirksame, kostenlose und schnelle Lösung anbieten. Verbraucher können in der Regel zwischen mindestens zwei der folgenden Maßnahmen wählen:

•    Reparatur: Das Produkt wird repariert.
•    Ersatz: Das Produkt wird durch ein sicheres, gleichwertiges Produkt desselben Typs ersetzt.
•    Erstattung: Der Wert des Produkts wird erstattet, mindestens in Höhe des gezahlten Preises.

Verbraucher dürfen nicht dazu verpflichtet werden, ein gefährliches Produkt selbst zu reparieren. Eine Reparatur durch Verbraucher kann jedoch eine Option sein, wenn sie leicht und sicher durchgeführt werden kann und keine übermäßige Belastung oder Gefährdung darstellt, wie beispielsweise der Austausch von Batterien.

Auch die Entsorgung des Produkts kann eine geeignete Maßnahme sein, wenn sie vom Verbraucher leicht und sicher durchgeführt werden kann. Die Kosten für den Versand oder die Rückgabe des Produkts trägt der Verbraucher nicht. Wenn das Produkt aufgrund seiner Beschaffenheit nicht transportabel ist, muss der betreffende Wirtschaftsakteur Sorge tragen, dieses abholen zu lassen. 

Der Hersteller muss nachweisen, dass das Produkt gefährlich ist, nicht der Verbraucher. Wenn die Reparatur oder der Ersatz nicht innerhalb einer angemessenen Frist erfolgt, hat der Verbraucher Anspruch auf Erstattung des Produkts.

Abgrenzung zur gesetzlichen Gewährleistung und zu Garantien

Verbraucher können innerhalb der gesetzlichen zweijährigen Gewährleistungsfrist den Verkäufer auffordern, Mängel am gekauften Produkt zu beheben. Bei einem Rückruf gibt es keine zeitliche Beschränkung für Abhilfemaßnahmen, da das Ziel nicht die Behebung der Vertragswidrigkeit ist, sondern gefährliche Produkte vom Markt zu nehmen und Verbrauchern eine angemessene Wiedergutmachung zu bieten.

Nach einem Rückruf können Verbraucher keine weiteren Ansprüche wegen desselben gefährlichen Defekts im Rahmen der Gewährleistung geltend machen, da der Mangel dann behoben ist. Umgekehrt kann ein im Rahmen der Gewährleistungsfrist behobener Mangel nicht erneut im Rahmen der Abhilfe behoben werden. Sollten jedoch andere Mängel an der Ware bestehen, bleibt der Verkäufer auch nach einem Rückruf für diese Mängel verantwortlich. Das gilt auch für Garantieansprüche gegenüber dem Hersteller, wenn es sich um dasselbe Sicherheitsproblem (Defekt) innerhalb der Garantiezeit handelt wie in der Rückrufanzeige.

Rückrufpflicht des Herstellers als letztes Mittel

Der Rückruf ist sozusagen die Notbremse. Der Hersteller und andere Wirtschaftsakteure müssen von Anfang an sicherstellen, dass ihre Produkte sicher sind und auch nach dem Inverkehrbringen auf dem EU-Markt sicher bleiben. Wenn Sicherheitsmängel vermutet werden, müssen sie reagieren und notfalls das Produkt vom Markt nehmen. Auch die zuständige Behörde kann den Rückruf anordnen, wenn dies nach einer Risikobewertung angemessen erscheint.

Schadensersatzanspruch gegenüber dem Hersteller

Hersteller ziehen oft im eigenen Interesse Konsequenzen, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Denn sie können für Schäden haftbar gemacht werden, die durch ihr fehlerhaftes Produkt an anderen Sachen oder Personen entstehen. Wenn ein Verbraucher einen Rückruf oder Sicherheitsanforderungen missachtet, kann dies ein Mitverschulden begründen. Hat der geschädigte Verbraucher die Hinweise nicht beachtet, kann dies die Haftung des Herstellers mindern oder sogar vollständig ausschließen.

 

Ist eine gekaufte Ware defekt, können Sie sich unabhängig von einer Rückrufaktion innerhalb der zweijährigen Gewährleistungsfrist an den Verkäufer wenden. Dieser muss zunächst nur eine Ersatzlieferung oder eine Reparatur durchführen und auch die Kosten für Transport, Arbeitsleistung und Materialien übernehmen. Erst wenn die Reparatur scheitert oder das Ersatzprodukt auch defekt ist, können Sie Ihr Geld zurückfordern. Eine Gutschrift brauchen Sie aber in keinem Fall zu akzeptieren.

Werden Sie vom Hersteller mit Ihrem Auto in die Werkstatt gerufen, haben Sie keinen Anspruch auf einen kostenlosen Mietwagen oder Bezahlung der Fahrtkosten. Sie können nur auf Kulanz des Herstellers hoffen.

Was man bei Sicherheitsmängeln tun kann, bevor es zu einem Produktrückruf kommt?

  • Wenn Sie bei einem Produkt Sicherheitsmängel feststellen, sollten Sie den verantwortlichen Wirtschaftakteur, wie den Hersteller, Importeur oder Händler des Produkts oder bei Kauf eines Produkts den Online-Marktplatz kontaktieren, damit notwendige Korrekturmaßnahmen eingeleitet werden können. 
  • Verbraucher können Sicherheitsmängel über das Consumer Safety Gateway melden. Diese Plattform ermöglicht es, gefährliche Produkte, die im EU-Binnenmarkt gekauft wurden, zu melden, wenn sie Unfälle oder Verletzungen verursacht haben. Allerdings sind Unfälle im Zusammenhang mit Non-Food-Erzeugnissen, Arzneimitteln und medizinischen Produkten ausgeschlossen. Weitere Informationen und den Zugang zur Meldung finden Sie auf der Website ec.europa.eu/safety-gate.
  • Über fehlerhafte Produkte können sich auch Verbraucher über die öffentliche ICSMS-Daten informieren oder das gefährliche Produkt an die zuständige fachliche Marktüberwachungsbehörde melden. Wer nicht weiß, welche Marktüberwachungsbehörde zuständig ist, kann das über das ICSMS-Portal der EU-Kommission klären. 

Wo man sich über einen Produktrückruf informieren kann    

Safety Gate (vormals RAPEX)

Aktuelle Warnmeldungen zu gefährlichen Non-Food-Produkten finden Sie auf europäischer Ebene auf Safety-Gate (ehemals RAPEX). Arzneimittel und medizinische Geräte sind davon ausgenommen, da sie einer gesonderten Überwachung unterliegen. Das europäische Schnellwarnsystem informiert über Maßnahmen, die ergriffen wurden, um die Verbreitung gefährlicher Produkte zu verhindern oder einzuschränken, wie z.B. Rücknahmen oder Rückrufaktionen. Es umfasst sowohl Maßnahmen der Marktüberwachungsbehörden als auch freiwillige Maßnahmen von Herstellern und Händlern. Sie können die wöchentlichen Meldungen von Safety Gate abonnieren. Wer möchte, kann sich die wöchentlichen Meldungen von Safety Gate wöchentlich abonnieren lassen.

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)

Produktinformationen bekommen Sie auch bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Sie informiert mit ihrer Datenbank „Gefährliche Produkte“ zu Rückrufen und Warnungen. Die Datenbank ist unter www.rueckrufe.de erreichbar. 

Lebensmittelwarnung

So bieten die Bundesländer oder das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in ihrem gemeinsamen Portal lebensmittelwarnung.de einen direkten Zugang zu aktuellen Meldungen. Gelistet werden Meldungen zu Lebensmitteln, Kosmetika und Bedarfsgegenständen, wie Geschirr, Kleidung, Spielsachen oder Deko-Artikel und andere Dinge des allgemeinen Haushaltsbedarfs.

Auf europäischer Ebene gibt es das internetgestützte Marktüberwachungssystem (ICSMS). Neben Produktinformationen, Prüfergebnissen und Hinweisen auf Produktfälschungen enthält das System auch eine für die Öffentlichkeit zugängliche Suchfunktion. Verbraucher können hier Informationen zur zuständigen Behörde für ihr Produkt finden. Über die Postleitzahl lassen sich alle Behörden ermitteln, die in der gewählten Region für Produktsicherheit zuständig sind

 

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