Wann und warum wurde der Score eingeführt?
In den 1920er Jahren verkaufte die Berliner Städtische Elektrizitätswerke-Aktiengesellschaft (BEWAG) an zuverlässige Kunden nicht nur Strom, sondern auch Haushaltsgeräte wie zum Beispiel Kühlschränke. Diese Haushaltsgeräte waren als Ratenkauf erhältlich. Um zu beurteilen, welche Kunden für den Kauf in Frage kamen, überprüfte das Unternehmen das Zahlungsverhalten bei der Stromrechnung. Nur wer pünktlich zahlte, konnte einen Kühlschrank erwerben.
Schnell wurde einigen Mitarbeitern der BEWAG klar, dass die Informationen über das Zahlungsverhalten der Kunden auch für andere Unternehmen wertvoll waren. 1927 gründeten sie die "Schutzgemeinschaft für Absatzfinanzierung" – heute bekannt als SCHUFA.
Wie genau funktioniert Scoring?
Zurück ins digitale Zeitalter. Wie genau funktioniert das eigentlich Scoring in Zeiten des Internets? Sicher ist, dass Sie bei unterschiedlichen Auskunfteien ein Profil haben. Dort werden Daten über Sie gesammelt. Zum Beispiel Ihr Name, Ihr Geburtsdatum, die aktuelle Anschrift und auch, ob Sie ein Konto oder einen Handyvertrag haben. Das sind die so genannten Positivdaten. Aber das ist noch nicht alles. Darüber hinaus wird vermerkt, ob Sie bei einzelnen Rechnungen oder Raten im Zahlungsverzug sind. Das sind die so genannten Negativdaten.
All diese Daten dienen dazu, Sie in eine bestimmte Gruppe einzusortieren und Ihren Score-Wert zu berechnen.
Ein Beispiel: Nehmen wir mal an, die Score-Skala einer Auskunftei geht von 0 bis 100. Wenn Sie einen Score-Wert von 95 Prozent haben, dann bedeutet das, dass 95 von 100 Kunden in Ihrer Vergleichsgruppe die Rechnungen fristgerecht bezahlt haben.
Als generelle Regel gilt: Eine niedrige Punktezahl (Score-Wert) bedeutet, dass Sie Ihre Rechnungen sehr wahrscheinlich nicht bezahlen. Menschen mit einem niedrigem Score-Wert werden als wenig kreditwürdig eingestuft.
Wie genau die Auskunfteien den Score-Wert bilden, fällt unter das Geschäftsgeheimnis. Jede Auskunftei hat ihr eigenes Berechnungsverfahren und unterschiedliche Score-Werte.
Allerdings hat der EuGH am 7. Dezember 2023 im Falle der Wiesbadener Schufa Holding entschieden, dass es sich beim Bonitätsscoring um eine automatisierte Entscheidung im Einzelfall handelt, wenn der Score maßgeblich über den Abschluss oder die Konditionen eines Vertrages entscheidet.
In einem solchen Fall haben Verbraucher:innen das Recht, von der Auskunftei zu erfahren, nach welcher Logik der Score zustande kommt. Das bedeutet, dass Auskunfteien sich nicht mehr pauschal auf ihr Geschäftsgeheimnis berufen können, sondern das Zustandekommen der Score-Werte sehr viel transparenter und verständlicher machen müssen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband begrüßt das Urteil als wichtigen Schritt für einen starken Verbraucherschutz beim Bonitäts-Scoring und fordert konkrete Maßnahmen.
Dass die Schufa ihre Algorithmen nicht offenlegen muss, entschied der Bundesgerichtshof schon Anfang 2014. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) sollte jetzt, auf Vorlage des Verwaltungsgerichts (VG) Wiesbaden, klären, ob die Schufa-Geschäftspraktiken mit der gültigen Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vereinbar sind, die seit Mai 2018 gilt.
Scoring ist nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig
Jeder Mensch hat einen Finanz-Score. Auch wenn man sich dafür nicht angemeldet hat. Denn Auskunfteien sammeln Daten über Sie, ohne dass Sie davon etwas mitbekommen.
Die Art und der Umfang der Daten, die Auskunfteien über dich sammeln dürfen, hat der Gesetzgeber festgelegt. Aus legal gewonnenen Daten dürfen Auskunfteien zwar grundsätzlich einen Score-Wert für Sie bilden. Allerdings dürfen nicht alle Daten in Ihr Profil aufgenommen werden. Im Scoring-Profil nichts verloren haben Angaben
- zum Beruf,
- zur Höhe Ihres Gehalts,
- zur persönlichen Lebenssituation,
- zum Arbeitgeber oder
- zur Glaubensrichtung.
Es gibt auch bestimmte Grenzen, wie Score-Werte an die Partnerunternehmen der Auskunfteien weitergegeben und verwendet werden dürfen. Ist der Score-Wert maßgeblich für den Abschluss eines Vertrages, dann braucht es dazu einer besonderen Rechtfertigung, etwa in Form einer Einwilligung oder einer nationalen Erlaubnisnorm.
Ob § 31 Bundesdatenschutzgesetz so eine nationale Erlaubnisnorm ist, die im Einklang mit der Datenschutzgrundverordnung steht, darf derzeit stark bezweifelt werden. Hierzu wird das Verwaltungsgericht Wiesbaden hoffentlich in Bälde mehr Rechtsklarheit bringen.
In anderen Ländern sind schon neue Formen des Scorings entstanden. Unternehmen wie Zest Finance, Kreditech, LendUp oder Earnest werten große Datenmengen aus, um Vorhersagen über Kreditwürdigkeit von Usern zu treffen. Zum Beispiel beobachten sie, wie sich Nutzer im Netz bewegen, was sie einkaufen oder welche Aussagen sie auf Social Media-Plattformen machen.
In Deutschland ist diese Form des Big-Data-Scorings aufgrund der Datenschutzgesetze nicht möglich. Als klassische Auskunfteien wie die SCHUFA in einem Forschungsprojekt die öffentlich einsehbaren Daten aus den sozialen Netzwerken für das Scoring nutzen wollten, wurde das Projekt nach Protesten wieder gestoppt.
Warum berechnen Auskunfteien meinen Score-Wert?
Auskunfteien arbeiten mit verschiedenen Unternehmen zusammen. Ihr Score-Wert ist zum Beispiel für Banken, Versicherungen, Versorgungsunternehmen oder Onlinehändler interessant. Wenn zum Beispiel ein Onlinehändler wissen möchte, wie wahrscheinlich es ist, dass Sie Ihre Rechnung bei einem Kauf auf Rechnung bezahlen, wird er die Auskunftei um Informationen bitten.
Scoring gibt es übrigens nicht nur in der Finanzwelt. Auch die Präventionsprogramme von Krankenkassen setzen beispielsweise darauf. In der Medizin sind Scores ebenfalls verbreitet. Wenn heute ein Baby auf die Welt kommt, wird ein Arzt oder eine Hebamme den Apgar-Score ausfüllen. Der soll Vorhersagen darüber ermöglichen, wie gut dem Neugeborenen die Anpassungen an das Leben außerhalb des Mutterleibs gelingt.